Gesellschaft
„Wie Westfernsehen“: Aufregung bei deutschen Medien um Maaßen-Tweet

Der ehemalige deutsche Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen äußerte sich in einem Tweet durchaus kritisch über die deutsche Medienlandschaft, indem er die Schweizer Neue Züricher Zeitung (NZZ) lobte.
Berlin/Zürich. – Der frühere oberste Verfassungsschützer fiel bereits in der Vergangenheit durch unbotmäßige Äußerungen auf. So führten etwa seine öffentlichen Zweifel an der Authentizität des sogenannten „Hetzjagd“-Videos aus Chemnitz im Vorjahr in letzter Konsquenz zu seiner Ablöse an der Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Zuletzt kritisierte er auch den Umgang der deutschen Medien mit der Ibiza-Affäre – Die Tagesstimme berichtete. Nun legte er zum wiederholten Mal nach.
Maaßen: „NZZ so etwas wie ‚Westfernsehen'“
Maaßen teilte auf seinem Twitter-Account einen NZZ-Artikel, welcher sich mit der Umkehr der demographischen Verhältnisse zu Ungunsten der autochthonen Bevölkerung beschäftigt und die Ausmaß dieses Wandels aufzeigt. Dazu schrieb er über das konservative Blatt: „Für mich ist die NZZ so etwas wie ,Westfernsehen‘.“
Damit referenzierte er die trotz Störsendern und DDR-Propaganda in weiten Teilen Mittel- und Ostdeutschlands auch während des autoritären Regimes empfangbaren westlichen Rundfunkstationen. In seiner Urversion beinhaltete der Artikel der Jungen Freiheit zufolge auch noch einige pikante Formulierungen, welche später allerdings hinweg redigiert wurden.
Beck (Grüne) und Polenz (CDU) empören sich
Die Empörung ließ nicht lange auf sich warten. Teile der deutschen Politik – ebenfalls auf Twitter – echauffierten sich in der Folge ausgiebig über die Aussagen Maaßens. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck etwa hinterfragte die angeblich Unterstellung, es gäbe in Deutschland bereits „Zensur und staatlich gelenkte Medien“.
Wir haben also nach Ihrer Ansicht, geschätzter Herr @HGMaassen, in Deutschland Zensur & staatlich gelenkte Medien wie in der DDR? Habe ich Sie richtig verstanden, dass damit die FDGO, die Sie als Verfassungsschutzpräsident schützen sollten, Ihrer Meinung bereits außer Kraft ist?
— Volker Beck (@Volker_Beck) 9. Juli 2019
Auch Ruprecht Polenz – eigentlich CDU-Parteifreund Maaßens – stimmte in den Tenor ein: Bis jetzt hätte lediglich die seiner Meinung nach „völkisch-nationalistische“ AfD und Pegida den Vorwurf der „Lügenpresse“ eingebracht. Die Werte-Union – jener konservative CDU-Flügel dem Maaßen angehört – verliere offenbar „völlig die Orientierung“.
Ein früherer Präsident des Verfassungsschutzes vergleicht die deutschen Medien mit der SED-Einheitspresse. Bisher brüllten nur die völkisch-nationalistische #AfD und #Pegida „Lügenpresse“ . Die sog. „Werte“Union verliert völlig die Orientierung. @HGMaassen
— Ruprecht Polenz (@polenz_r) 9. Juli 2019
Maaßen: „Zu viele Relotiusse“
Maaßen hingegen dachte allerdings nicht daran, zurückzurudern: im Gegenteil. In seiner Antwort auf Volker Beck urteilte er kurz und knapp: Es gäbe in Deutschland einfach „zu viele Relotiusse“. Damit bezog er sich auf die Affäre rund um einen mehrfach preisgekrönten, ehemaligen Spiegel-Redakteur, welcher im Dezember als Hochstapler aufflog.
Wir haben zu viele Relotiusse.
— Hans-Georg Maaßen (@HGMaassen) 9. Juli 2019
Deutsche Medienlandschaft tobt
Daraufhin stimmten auch mehrere Vertreter deutscher Zeitungen in die Kritik ein. Carsten Zett von der Rhein-Zeitung etwa forderte eine Entlassung Maaßens aus dem Beamtenverhältnis. Stefan Schirmer von der Zeit wiederum versuchte zu skandalisieren, dass der österreichische Identitären-Chef Martin Sellner die Wortmeldung Maaßens retweetete.
Matthias Meisner vom Tagesspiegel sah den ex-BfV-Präsidenten „in der Rolle des Rechtspopulisten„. Und Nikolaus Blome von der Bild versuchte mit einer „ungezügelten Wut“ auf Angela Merkel zu argumentieren, welche einen „eigentlich vernünftigen Mann“ treiben würde.
NZZ wirft Maaßen „Geschlichtsklitterung“ vor
Am Dienstagmorgen distanzierte sich auch die NZZ vom Vergleich. In einer „Notiz“ in eigener Sache“ bezeichnete man den Vergleich als „unpassend“. Dieser komme „Geschichtsklitterung“ gleich, es gäbe auch in Deutschland „ausgezeichnete Journalistinnen und Journalisten“. Man sei deshalb auch „kein Westfernsehen“.
Notiz in eigener Sache: Wir sind kein Westfernsehen. Dieser Vergleich ist unpassend und Geschichtsklitterung. Auch bei deutschen Medien arbeiten ausgezeichnete Journalisten und Journalistinnen. https://t.co/BMi1jTPFet
— Neue Zürcher Zeitung (@NZZ) 10. Juli 2019

-
Gesellschaft6 Tagen ago
Die Wissenschaft: Gibt es sie?
-
Gesellschaft4 Tagen ago
Fotostrecke: Das war die große Corona-Kundgebung in Wien
-
Österreich6 Tagen ago
Impffreiheit, Tierschutz und Ethik: Drei Volksbegehren starten am Montag
-
Österreich2 Tagen ago
Vorwurf der Dollfuß-Nähe: Droht auch Blümel Skandal um Diplomarbeit?